Nach altem Recht erhielten Eltern, die nicht miteinander verheiratet
waren, das gemeinsame Sorgerecht nur, wenn sie heirateten oder sich übereinstimmend
für die gemeinsame Sorge entschieden. Der Europäische
Gerichtshof für Menschenrechte sah darin einen Verstoß gegen
die Europäische Menschenrechtskonvention, das
Bundesverfassungsgericht einen Verstoß gegen Grundrechte.
Die geplante Neuregelung ermöglicht die gemeinsame Sorge immer dann,
wenn das Wohl des Kindes nicht entgegensteht. Um zügig Klarheit über
die Sorgerechtsfrage zu ermöglichen, findet das normale
familiengerichtliche Verfahren nur statt, wenn tatsächlich
Kindeswohlfragen zu klären sind. Geplant ist folgendes abgestufte
Verfahren:
- Erklärt die Mutter nicht von selbst ihr Einverständnis mit
der gemeinsamen Sorge, hat der Vater die Möglichkeit, zunächst
zum Jugendamt zu gehen, um doch noch eine Einigung mit der Mutter zu
erreichen.
- Der Vater kann aber auch jederzeit das Familiengericht anrufen,
entweder direkt oder dann, wenn sich herausstellt, dass die Mutter sich
beim Jugendamt nicht mit einer gemeinsamen Sorge einverstanden erklärt
oder sich nicht äußert.
- Im gerichtlichen Verfahren erhält die Mutter Gelegenheit zur
Stellungnahme zum Antrag des Vaters. Die Frist dafür endet frühestens
sechs Wochen nach der Geburt.
- Das Familiengericht entscheidet in einem beschleunigten und im
schriftlichen Verfahren - ohne persönliche Anhörung der Eltern
-, wenn die Mutter entweder gar nicht Stellung nimmt oder sich zwar äußert,
aber keine potenziell kindeswohlrelevanten Gründe vorträgt,
und wenn derartige Gründe dem Gericht auch sonst nicht bekannt
geworden sind. Diese Vorschrift trägt gleichzeitig einer rechtstatsächlichen
Untersuchung Rechnung, wonach es in vielen Fällen gar nicht um das
Kindeswohl geht, wenn Mütter die gemeinsame Sorge ablehnen.
- Das Familiengericht spricht dem Vater das Sorgerecht zu, wenn die Übertragung
dem Kindeswohl nicht widerspricht (negative Kindeswohlprüfung).
Der Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums wurde Anfang April an
Länder und Verbände verschickt, die jetzt Gelegenheit zur
Stellungnahme haben.
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